Erinnerungen an die Gebrüder Wolf

"An die Zeit zu erinnern als Juden und Nichtjuden selbstverständlich in Deutschland zusammenlebten - das ist die Prämisse, unter der meine künstlerische Arbeit seit 1995 steht. Mich beschäftigt die Suche nach Formen der Erinnerung, die aufzeigen sollen, was mit dem Zivilisationsbruch Auschwitz in Deutschland verschwunden ist. Dabei bewegen sich die Formen meiner Projekte zwischen bildmedienunterstützter Performance, Rauminstallation und Dokumentarfilm".

Während einer Recherche für eine Performance im ehemaligen jüdischen Viertel von Hamburg Altona machte ich im Mai 1995 eine überraschende Entdeckung: Das bekannteste Hamburger Volkslied

"An de Eck steiht´n Jung mit´n Tüdelband".

Es geht zurück auf Ludwig Isaac, mit Künstlernamen, Ludwig Wolf. Seit neunzig Jahren ist das Lied fester Bestandteil der kulturellen und sozialen Identität der Hamburger Bevölkerung. Aufgewachsen im proletarischen St. Pauli der fünfziger Jahre, begleitete mich dieses Lied wie selbstverständlich während meiner Kindheit, in der Schule, auf Familienfeiern und später in den Hafenarbeiterkneipen, ohne dass irgendjemand wusste welche Geschichte dieses Lied verbarg. Ludwig und Leopold Wolf die "Gebrüder Wolf", jüdische Künstler als deutsche Volksmusikstars.

In den Archiven des Museums für Hamburgische Geschichte fand ich einige Relikte, Plakate, Fotoalben, die Typoskripte einiger ihrer Couplets, Zeitungsartikel, Schellackplatten und Anschriften von noch lebenden Verwandten in Achim bei Bremen, Schweden und in den USA.

Im Mai 1998 realisierte ich im Altonaer Museum eine Rauminstallation, die sich in einer un-konventionellen Art mit neuen Formen der Erinnerung auseinander setzte. Ausgangspunkt war die Performance von 1995, die jetzt in einem Kunstraum neu präsentiert wurde.

Die Recherche für den Dokumentarfilm begann ich 1999 bei Dieter Guderian in Achim, der mir seine umfangreiche Fotosammlung über die Gebrüder Wolf zur Verfügung stellte. Die Tochter von Ludwig Wolf, Liselotte Höbejögi kam aus Schweden und erinnerte sich an das künstlerische Wirken ihres Vaters. Die weitere Spurensuche führte mich nach Shanghai ins ehemalige jüdische Ghetto und nach New York, wo die Gebrüder Wolf ihre letzten Auftritte hatten. In San Francisco traf ich den 25jährigen HipHoper und Schauspieler Dan Wolf, der die künstlerische Tradition der Wolfs fortsetzt und in meinem Film eine wichtige Rolle spielt. Marion Hess, Tochter von James Wolf in San Diego erzählte von der Flucht mit der Transsi-birischen Eisenbahn nach Shanghai und stellte weiteres Fotomaterial zur Verfügung.

Im November 2000 kam Dan Wolf (Urenkel von Leopold Wolf) mit seiner Band "Felonious" nach Hamburg. Seine Ankunft und das Konzert in der Großen Freiheit auf St. Pauli wurde von den Hamburger Medien begleitet, die Gebrüder Wolf waren wieder angekommen.

Das stetig wachsende Interesse an der Geschichte der Gebrüder Wolf löste bei den Famili-enangehörigen großes Erstaunen aus, denn die Erinnerungen an ihre berühmten Verwandten waren im Laufe der Zeit fast völlig verlorengegangen. Die Familie zerstreut über die ganze Welt, hatte den Kontakt untereinander weitgehend verloren. Durch meine Besuche bei den Angehörigen wurden neue Kontakte untereinander geknüpft. Das erste große Familientreffen fand im September 2001 im Museum für Hamburgische Geschichte statt. Marion Hess aus San Diego, Liselotte Höbejögi aus Schweden und die noch lebenden Verwandten aus Deutschland sahen sich zum erstenmal.

Angela Müller (Kunstwerk e.V.) und ich konzipierten eine Fotoausstellung über die Lebensgeschichte der Gebrüder Wolf, die im November 2001 im Rathaus der Freien und Hansestadt Hamburg ausgestellt wurde. Gleichzeitig begannen die Proben in den Hamburger Kammerspielen zu dem Theaterstück "Die Jungs mit dem Tüdelband", das am 18. Januar 2002 Premiere hatte.

Im Mai 2002 wurden von Angela Müller und mir der Ausstellungs- und Begleitkatalog, 152 Seiten, herausgegeben.

Im Januar 2003 wurde der Film "return of the tüdelband - Gebrüder Wolf Story" fertig. Er wurde in Hamburg, im September 2003 im Abaton Kino zur Premiere gebracht. Gleichzeitig erschien die CD zum Film bei Trikont in München in Zusammenarbeit mit Kunstwerk e.V., 16 Hamburger Bands und Felonious mit Dan Wolf aus San Francisco interpretieren Gebrüder Wolf Songs neu - von Rock bis zum HipHop.

Er wurde in Hamburg, im September 2003 im Abaton Kino zur Premiere gebracht. Dan Wolf erhielt im März 2003 ein 2 monatiges Stipendium von der Kulturbehörde damit er die Recherche für sein Theaterstück "Stateless" beginnen konnte.

Bei der Filmpremiere im September 2003 gab es eine Woche lang verschiedene Veran-staltungen zur Geschichte der Gebrüder Wolf, u.a. eine Performance vor dem ehemaligen jüdischen Volksheim in der Wohlers Allee, einen Stadtteilrundgang zu den Stätten der Wolfs, Rap Theater, Musikveranstaltungen, sowie die Präsentation der CD "return of the tüdel-band"mit anschließendem Konzert in der "Fabrik". Die CD zum Film erschien bei Trikont in München in Zusammenarbeit mit Kunstwerk e.V., 16 Hamburger Bands und "Felonious" mit Dan Wolf aus San Francisco interpretieren Lieder der Gebrüder Wolf neu - vom Rock bis zum HipHop.

Im Januar 2004 war die Film Premiere in San Francisco auf dem Film Festival "Berlin and Beyond". Die Hamburger HipHopper von "Trainingslager" hatten einen gemeinsamen Auftritt mit "Felonious". Dan Wolf präsentierte work in progress sein Theaterstück "Stateless".
Im Juli lief der Film auf dem Internationalen Film Festival in Jerusalem in der Konkurrenz "Jewish Experience".
Das Goethe Institut kauft den Film und untertitelt ihn englisch, französisch und spanisch.

In 2005 wurde der Film und die Fotoausstellung im Goethe Institut in Jerusalem und Tel Aviv präsentiert. Anläßlich der Beendigung des 2. Weltkrieges zeigen Yad Vashem und das Haus der Diaspora, Beit Ha Tefuzot, den Film in der Reihe Ð Kino und Erinnerung Ð in Tel Aviv.

Im Juni 2005 fand das Projekt "Real Time" statt, eine Interdisziplinäre Auseinandersetzung Mit Kunst und Erinnerung. Junge Menschen aus Israel, Palästina, USA und Deutschland setzen mittels Musik, Film, Theater und Diskussion mit ihrer Geschichte auseinander.
Es begann ein Austausch mit Schülern aus Palästina (Bethlehem), Haifa (Israel) und Hamburg.

Im November präsentierte das Goethe Institut in Tbilissi (Tiflis/Georgien) den Film und die Fotoausstellung. Drei HipHop Musiker aus Hamburg gaben ein Konzert und traten in einer Schule auf.

Der Film läuft seit 2003 in deutschen Kinos. Das Goethe Institut präsentiert den Film weltweit.

Im März 2006 präsentierte das Institut für Auslandsbeziehungen den Film in der polnischen Kinowoche in 7 Städten,. In Wroclaw (Breslau/Universität) und Pila (Schneidemühl/Kulturverein) hielt ich multimediale Vorträge über "Neue Formen der Erinnerung".

Im September 2006 wurde der Film und das Theaterstück von Dan Wolf, "stateless", an Schulen in Hamburg und Berlin gezeigt. In der KZ Gedenkstätte in Ravensbrück fand ein HipHop Workshop mit Jugendlichen aus der Umgebung statt. Die Ergebnisse wurden in der Mehrzweckhalle in Fürstenberg vorgeführt (Musik gegen Rechts)



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